
Antibiotikaresistenzen sind keine ferne Bedrohung mehr — sie sind ein globaler medizinischer Notfall, der dringendes Handeln erfordert, warnt ein Internist auf Sermo: “Wir müssen das jetzt angehen, bevor es uns alle vernichtet.”
Die antimikrobielle Resistenz (AMR) ist eine der drängendsten globalen Herausforderungen in der Medizin. Falls sie nicht eingedämmt wird, wird sie bis 2050 voraussichtlich jährlich 10 Millionen Todesfälle verursachen und sie könnte die Weltwirtschaft zwischen 60 und 100 Billionen US-Dollar an Produktionsausfällen kosten. Die wirtschaftliche Belastung ist gigantisch. AMR wird das globale Bruttoinlandsprodukt in den nächsten Jahrzehnten schätzungsweise um 2 % bis 3,5 % reduzieren.1
Ärztinnen und Ärzte stehen an vorderster Front dieser Krise und haben die Aufgabe, Behandlungsentscheidungen zu treffen, die die unmittelbare Patientenversorgung mit den langfristigen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit in Einklang bringen. Wie können medizinische Fachkräfte Antibiotikaresistenzen bekämpfen und gleichzeitig gewährleisten, dass Patienten die Behandlung erhalten, die sie heute benötigen? Welche Strategien sind zur Reduzierung von AMR am effektivsten, ohne die Ergebnisse für die Patienten zu beeinträchtigen?
In diesem Artikel untersuchen wir Sermo-Umfragedaten und Diskussionen von Ärztinnen und Ärzten, um die effektivsten Lösungen aufzudecken, von Stewardship-Programmen und sich abzeichnenden Technologien bis hin zu globaler Zusammenarbeit und Aufklärung von Patienten.
Wie können Ärzte die unmittelbare Behandlung mit der langfristigen Prävention von Antibiotikaresistenzen in Einklang bringen?
H3: Ärzte stehen bei der Behandlung von bakteriellen Infektionen oft vor schwierigen Verordnungsentscheidungen.
Einer Studie zufolge berichten 46,7 % der Ärztinnen und Ärzte von Problemen bei der Wahl des richtigen Antibiotikums2, was den Bedarf an besseren diagnostischen Tools und Verordnungsrichtlinien unterstreicht. In einer kürzlich durchgeführten Sermo-Umfrage sind 63 % der befragten Ärztinnen und Ärzte der Ansicht, dass Antibiotika-Stewardship-Programme unerlässlich sind, um dieses Gleichgewicht zu erreichen.3
Stewardship-Programme zur Antibiotikaresistenz stellen sicher, das Antibiotika nur bei Bedarf verordnet werden, wodurch die Behandlung optimiert und der unnötige Einsatz verhindert wird. Diese Programme beinhalten:
- Anleitung von Ärztinnen und Ärzten bei der Auswahl des für jeden Fall am besten geeigneten Antibiotikums.
- Verfolgung von Verordnungstrends, um Antibiotikaresistenzen durch übermäßige Verordnungen und Missbrauch zu verhindern.
- Integration der Schnelldiagnostik zur Bestätigung bakterieller Infektionen vor der Verordnung.4
Diagnostische Tools spielen eine entscheidende Rolle, den unnötigen Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Ärztinnen und Ärzte auf Sermo haben hervorgehoben, wie diese Tools das Antibiotikamanagement verbessern:
- 33 % gaben an, dass eine schnelle Diagnose eine angemessene Verwendung gewährleistet
- 24 % betonten, dass präzise Tests unnötige Verordnungen minimieren.3
Eine Internistin auf Sermo erläutert es folgendermaßen: „Wir beginnen bei Patienten mit den empfohlenen Antibiotika und nehmen möglicherweise Änderungen vor, was von den Ergebnissen der Kulturen und den Empfehlungen der Infektiologen abhängt.5”
Antibiogramme, die bakterielle Resistenzmuster liefern,6 können die Präzision der Verordnung verbessern. Die verspäteten Ergebnisse führen jedoch dazu, dass die empirische Behandlung oftmals beginnt, bevor die Tests abgeschlossen sind. Wie ein Sermo-Mitglied (Kinderarzt) erläutert: „Die Verwendung eines Antibiogramms zur Bestimmung eines spezifischen Antibiotikums gegen einen bestimmten Keim ist ideal, aber da das Ergebnis nicht unmittelbar vorliegt, wird die antimikrobielle Behandlung in der Regel empirisch begonnen, bis das Ergebnis des Antibiogramms vorhanden ist.7”
Das Antibiotikamanagement muss über die Verordnungspraktiken hinausgehen und Schulungen und Prävention einzubeziehen:
- 14 % der Ärzte befürworten die Aufklärung der Patienten über eine Teilnahme an Antibiotikakursen.
- 9 % betonen die Notwendigkeit von Investitionen in Forschung & Entwicklung im Bereich der alternativen Behandlungen.
- 3 % betonen die Rolle von Impfungen, Hygiene und Infektionskontrolle zur Verringerung des Bedarfs an Antibiotika.3
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass das Gleichgewicht zwischen sofortiger Behandlung und langfristiger Resistenzprävention einen facettenreichen Ansatz erfordert, der intelligente Verordnung, schnelle Diagnostik, kontinuierliche Überwachung und Aufklärung der Patienten kombiniert.
Sich abzeichnende Technologien und innovative Therapien
Während Stewardship-Programme dazu beitragen, die Wirksamkeit von Antibiotika zu erhalten, sind neue Technologien und alternative Behandlungen erforderlich, um resistente Infektionen zu bekämpfen.
Eine der am meisten diskutierten Alternativen ist die Phagentherapie, wobei 30 % der Sermo-Ärzte deren Potenzial betonen.3 Bei diesem Ansatz werden Bakteriophagen verwendet, um Bakterien gezielt zu zerstören, was eine präzise Methode zur Bekämpfung von Infektionen ist, ohne zu einer Resistenz beizutragen.
Dennoch bleiben Herausforderungen bestehen. „Die Phagentherapie ist eine Alternative zu Antibiotika, da sie Bakteriophagen zur Zerstörung von Bakterien einsetzt, aber es bestehen die Spezifität betreffende und behördliche Herausforderungen3„, merkt das Sermo-Team an. Im Gegensatz zu Breitband-Antibiotika müssen Phagen bestimmten Bakterien angepasst werden, was eine umfassende Anwendung erschwert.8
In ähnlicher Weise könnte die CRISPR-Cas-Technologie, die von 21 % der Befragten unterstützt wird,3 eine revolutionäre Möglichkeit bieten, bakterielle Genome zu bearbeiten und Resistenzgene zu entfernen. In einer Diskussion in einem Clinical Pulse-Beitrag wurde jedoch darauf hingewiesen, dass „Genom-Technologien und CRISPR eine außergewöhnliche Präzision bei der Bearbeitung bakterieller Genome bieten, wodurch Antibiotika-Resistenzgene möglicherweise deaktiviert und die Ausbreitung von Resistenzen verhindert werden,3“ deren Implementation aber Hürden gegenübersteht, wie z. B. Off-Target-Effekten9 und effektiven Verabreichungsmechanismen.10
In anderen Fällen wurden probiotische und die Darmgesundheit betreffende Interventionen als präventive Maßnahme vorgeschlagen. „Integrieren Sie Prä- und Probiotika in unser Gesundheitssystem, um die Darmgesundheit zu fördern und die Immunität zu stärken11„, so der Vorschlag eines kosmetischen Chirurgen auf Sermo.
Diese sich abzeichnenden Behandlungen und neuen Technologien bieten zwar vielversprechende Alternativen, erfordern jedoch erhebliche Investitionen, behördliche Genehmigungen und klinische Validierungen, bevor sie zum Mainstream werden. Die Herausforderung besteht nach wie vor darin, wissenschaftliches Potenzial mit der Anwendung in der klinischen Praxis zu verbinden, ein entscheidender Schritt, um sicherzustellen, dass diese Innovationen die Patienten erreichen, die sie benötigen.
Globale Zusammenarbeit und Resilienz im Gesundheitswesen
Antibiotikaresistenz ist nicht nur ein lokales oder auf Krankenhäuser bezogenes Problem. Es bedarf einer globalen Zusammenarbeit, um Resistenztrends zu verfolgen, die Aufklärung zu fördern und einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika durchzusetzen.
Auf die Frage, wie die Gesundheitssysteme widerstandsfähiger gegen AMR werden können, antworteten die Ärztinnen und Ärzte auf Sermo wie folgt:
- 39 % betonten, wie wichtig es ist, medizinische Fachkräfte und die Öffentlichkeit über einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika aufzuklären.
- 27 % sprachen sich für eine verstärkte globale Überwachung aus, um Trends im Hinblick auf Antibiotikaresistenzen zu überprüfen.
- 13 % hoben hervor, dass die internationale Zusammenarbeit beim Austausch von Daten und bewährte Verfahrensweisen gefördert werden sollten.
- 11 % sprachen sich für eine bessere Infektionskontrolle in Krankenhäusern und Gemeinden aus.3
Ein großes Hindernis für Stewardship und eine präzise Verordnung ist der Zugang zu Antibiogramm-Daten, insbesondere in Einrichtungen mit geringen Ressourcen.
„Die Übermittlung des Antibiogramms durch die Laboratorien der Krankenhäuser ist notwendig und hilft sehr, insbesondere bei den Patienten, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um sie in einem anderen Labor durchzuführen5”, argumentiert ein Urologe auf Sermo.
Dennoch sind Antibiogramme allein kein Allheilmittel, und ein Geburtshelfer auf Sermo ist der Ansicht, dass „AMR ein großes Problem ist. Ein Antibiogramm ist ein Tool — wirklich hilfreich, aber an sich kein Wundermittel.5“
Daher sollte sich die globale Zusammenarbeit auf die Standardisierung der Datenerfassung, die gesteigerte Finanzierung der AMR-Forschung und die Verbesserung des Zugangs zu Antibiotika in einkommensschwachen Regionen konzentrieren.
Wie können Ärzte Antibiotikaresistenzen reduzieren?
Neben Stewardship-Programmen und Innovationen spielt die Arzt-Patient-Kommunikation eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung des Antibiotikamissbrauchs.
Auf die Frage, wie Ärzte Ihre Patienten über einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika aufklären können, antworteten die Sermo-Mitglieder folgendermaßen:
- 48 % gaben an, dass die Vermittlung klarer, einfacher Fakten über Antibiotika und Resistenzen die effektivste Strategie ist.
- 16 % empfahlen, lokale Frage- und Antwortrunden zu fördern, um auf die Bedenken der Patienten einzugehen.
- 15 % schlugen vor, Informationsblätter zur sicheren Verwendung von Antibiotika auszuhändigen.
- 10 % betonten, dass die Antibiotika-Aufklärung in Routinetermine integriert werden sollte.3
Ein wiederkehrendes Problem ist der Missbrauch von Antibiotika aufgrund mangelnden Bewusstseins. Wie ein Allgemeinmediziner auf Sermo argumentiert: „Ärzte müssen sich des Antibiotika-Managements über das reine Wissen hinaus bewusst sein, da nicht alle Zentren über einen Dienst für Infektionskrankheiten verfügen, um geeignete Protokolle zu erstellen.1”
Ärzte können ebenso die Rolle von Impfstoffen bei der Verringerung des Bedarfs an Antibiotika hervorheben.
Wie der Vorsitzende der AMR Core-Group, Dr. W. Nyamayaro, erklärt: „Wir müssen alles nutzen, was im Werkzeugkasten vorhanden ist. Es gibt keine Universallösung, aber Impfstoffe sind eines dieser Werkzeuge.7”
Durch die Aufklärung von Patienten und die Bereitstellung von Leitlinien für Ärzte können Mediziner unnötige Antibiotika-Verordnungen reduzieren und die Entwicklung von Resistenzen verlangsamen.
Die Kernpunkte
Wie können Ärzte also Antibiotikaresistenzen verhindern?
Ein Hausarzt auf Sermo fasst es zusammen: „Antimikrobielle Resistenzen sind heute ein Problem für die Menschheit und für die medizinische Praxis, da die weltweite Inzidenz von mikrobiellen Resistenzen hoch ist.7”
Antibiotika und Antibiotikaresistenzen sind ein komplexes, aber lösbares Problem. Durch die Implementierung von Stewardship-Programmen, die Einführung neuer Technologien, die Stärkung der globalen Zusammenarbeit und die Aufklärung von Patienten haben Ärzte die Macht, AMR zu verlangsamen.
Ärzte müssen jetzt handeln, um die Wirksamkeit von Antibiotika für zukünftige Generationen zu erhalten.
Beteiligen Sie sich auf Sermo an der Diskussion
Antibiotikaresistenz ist eine wachsende Herausforderung, aber Ärzte haben die Macht, Veränderungen voranzutreiben.
Auf Sermo tauschen tausende von medizinischen Fachkräften Erkenntnisse aus der klinischen Praxis aus, diskutieren neue Therapien und arbeiten gemeinsam an optimalen Vorgehensweisen zur effektiven Bekämpfung von Resistenzen.
Footnotes
- Review on Antimicrobial Resistance, 2014. Tackling a crisis for the health and wealth of nations.
- Haque M, Karim MR, Shohid S, Choudhury SS, Hossain P, Sen RR, Dey C, Khan S, Munni MN, Shopna SA, Shultana R, Al Fidah MF, Khan MAS, Farhana N. Physician’s perception and practices on antimicrobial resistance in a tertiary care hospital in Bangladesh: a cross-sectional study. BMJ Open. 2024 Dec 22;14(12):e087201. doi: 10.1136/bmjopen-2024-087201. PMID: 39806593; PMCID: PMC11667363.
- Sermo, 2024. Umfrage der Woche: Bekämpfung von Antibiotikaresistenz, während die optimale Behandlung bakterieller Infektionen gewährleistet ist [Poll]. Sermo-Community.
- World Health Organization (WHO), 2021. Tackling antimicrobial resistance in the WHO European Region: A strategic approach.
- Sermo-Mitglied, 2024. Kommentar zur Umfrage der Woche: Das Krankenhaus-Antibiogramm – Ist es effektiv, wenn es um die Wahl der korrekten empirischen Antibiotikatherapie geht? Sermo-Community [Private online forum].
- Kathia UM, Munir T, Fateh F, Ahmad A, Amjad A, Afzal MF. Antimicrobial Resistance Patterns: Review of the Antibiogram of a Surgical Unit in a Public Tertiary Care Hospital of Pakistan. Cureus. 2020 Oct 25;12(10):e11159. doi: 10.7759/cureus.11159. PMID: 33251067; PMCID: PMC7686934.
- Sermo-Mitglied, 2024. Kommentar zu Letzter Tag — Werbeaktion zur Woche der Kenntnis antimikrobieller Behandlungen. Sermo-Community [Private online forum].
- Hibstu Z, Belew H, Akelew Y, Mengist HM. Phage Therapy: A Different Approach to Fight Bacterial Infections. Biologics. 2022 Oct 6;16:173-186. doi: 10.2147/BTT.S381237. PMID: 36225325; PMCID: PMC9550173.
- The Scientist, 2024. Twisted DNA increases CRISPR off-target effects.
- Li, T., Yang, Y., Qi, H. et al. CRISPR/Cas9 therapeutics: progress and prospects. Sig Transduct Target Ther 8, 36 (2023).
- Sermo-Mitglied, 2024. Kommentar zur Umfrage der Woche: Bekämpfung von Antibiotikaresistenz, während die optimale Behandlung bakterieller Infektionen gewährleistet ist. Sermo-Community [Private online forum].