Unterstützung unserer Ärztinnen

81 % der befragten Ärzte stimmen zu, dass Frauen in der Medizin immer noch benachteiligt sind, obwohl 78 % im Hinblick auf deren Rolle Fortschritte beobachtet haben1, so die Mitglieder der Sermo-Community. Doch welchen besonderen Herausforderungen müssen sich Frauen im Gesundheitswesen nach wie vor stellen? Und wo sollte unser Fokus liegen, um weitere Fortschritte zu gewährleisten?

Frauen in der Medizin sind wichtiger als je zuvor. Frauen repräsentieren in vielen Ländern nahezu die Hälfte der Hochschulabsolventen2 und sie bringen wesentliche Fähigkeiten und Sichtweisen in das Gebiet der Medizin ein.

Trotz bedeutender Fortschritte begegnen Ärztinnen jedoch immer noch systembezogenen Herausforderungen, die ihre Karriere, ihr Wohlbefinden und ihre Work-Life-Balance behindern können.

In diesem Artikel untersucht Sermo kritische Erkenntnisse, die Ärztinnen und Ärzte aus der Sermo-Community und anderen Forschungsgebieten mitgeteilt haben und zeigt realisierbare Schritte, um Frauen in der Medizin zu helfen, diese Hindernisse zu überwinden.

Die Herausforderungen, Ärztin zu sein

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

Obwohl Fortschritte erzielt wurden, ist die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in der Medizin immer noch ein Dauerthema. Sermo-Mitglieder weisen auf ein bemerkenswertes Beispiel hin: Dr. Lauren Pinter-Brown gewann, nachdem sie eine jahrelange Ungleichbehandlung ertragen hat, einen 14 Millionen Dollar-Prozess gegen die UCLA wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts3. Geschichten wie diese heben hervor, wie tief dieses Problem in medizinischen Einrichtungen verwurzelt ist.

Dem 2024 Medscape Physician Compensation Report zufolge verdienen männliche Ärzte 29 % mehr als Frauen in den entsprechenden Positionen4. Trotz ähnlicher Erfahrungsniveaus verdienen männliche Ärzte im Durchschnitt $380.000 jährlich, während weibliche Ärzte im Durchschnitt $307.000 verdienen5. Dieser Lohnabstand besteht über Fachgebiete und auch Regionen hinweg, was zeigt, dass größeres Bewusstsein und Eintreten für eine gleiche Bezahlung erforderlich sind.

Einblick

Ärztinnen werden trotz jahrzehntelanger Reformen immer noch ungleich bezahlt. Die Bewältigung von Lohnabständen erfordert eine anhaltende Transparenz bezüglich der Zahlungsstrukturen und feste Zusagen der Organisationen im Gesundheitswesen, um Ungleichheiten zu beseitigen.

Probleme im Hinblick auf die Work-Life-Balance

Die Work-Life-Balance ist eine der größten Herausforderungen, mit denen Ärztinnen konfrontiert sind, wobei 78 % der Frauen in der Sermo-Community dies als substantielles Problem identifizieren6. Obwohl das Arbeitspensum exakt dem ihrer männlichen Kollegen entspricht, neigen Frauen dazu, auch die meisten häuslichen Pflichten zu übernehmen. Die Forschung zeigt, dass bis zu 80 % der Hausarbeit und der Kinderbetreuung in Haushalten mit zwei Ärzten auf Frauen entfallen7.

Viele Ärztinnen in der Sermo-Community berichten, dass sie Schuld, Verbitterung und emotionale Erschöpfung verzeichnen, da sie versuchen, berufliche Aufgaben und familiäre Verpflichtungen gleichermaßen zu bewältigen. Das Fehlen flexibler Arbeitspläne und eingeschränkter Mutterschutzurlaub verschärfen diese Herausforderungen zusätzlich6.

Einblick

Die Schaffung flexiblerer Arbeitsvereinbarungen und die Befürwortung eines umfassenderen Mutterschaftsurlaubs könnte Ärztinnen in gewissem Maße entlasten und ihnen helfen, Privat- und Berufsleben besser ins Gleichgewicht zu bringen.

Sexismus am Arbeitsplatz

Sexismus in der Medizin ist eine beklagenswerte Realität, die sich auf verschiedene Weise manifestiert, von sexueller Belästigung bis hin zu subtilen Mikroaggressionen. Ein Bericht der British Medical Association aus dem Jahr 2021 ergab, dass 91 % der Ärztinnen in den vorangegangenen zwei Jahren Sexismus erlebt hatten8. Dieser Sexismus beinhaltet:

  • Sexuelle Belästigung, entweder körperlich oder verbal
  • Mikroaggressionen und Stereotypisierung
  • Aufgrund des Geschlechts behindert oder abgewiesen zu werden
  • Sexistische Kommentare und Witze
  • Mit negativen Einstellungen in Bezug auf Schwangerschaft und Mutterschaft konfrontiert zu sein

Darüber hinaus sind 74 % der Ärztinnen der Ansicht, dass Sexismus ihre Karriere behindert und 61 % wurden aufgrund ihres Geschlechts ihrer Meinung nach davon abgehalten, in bestimmten Fachgebieten zu arbeiten8.

Einblick

Die Bekämpfung von Sexismus in der Medizin erfordert einen systembezogenen Wandel, einschließlich besserer Berichtsmechanismen bei Belästigungen, aktiver Beförderung von Frauen in Führungspositionen und laufender Aufklärung, um geschlechtsspezifische Voreingenommenheiten abzubauen.

Karriereentwicklung und Chancen

Wenn es um Führungspositionen und Karriereförderung geht, bleiben Frauen unterrepräsentiert. Nur 21 % der ordentlichen Professoren und 16 % der Dekane in der akademischen Medizin sind Frauen9. Darüber hinaus ist es unwahrscheinlicher, dass Frauen sich für prestigeträchtige Fachgebiete wie die Chirurgie entscheiden oder Führungspositionen in Krankenhäusern anstreben10.

Einblick

Es muss mehr getan werden, um Ärztinnen dazu zu ermutigen, leitende Positionen zu verfolgen, sei es durch Mentorship, Leadership-Programme oder die Veränderung der Kultur, was geschlechtsspezifische Erwartungen in bestimmten Fachgebieten betrifft.

Ungleichheiten bei der Versorgung von Frauen

Ärztinnen sind nicht nur im Hinblick auf ihre berufliche Funktion mit Ungleichheiten konfrontiert, sondern berichten aufgrund einer voreingenommenen Gesundheitspolitik ebenso von Herausforderungen bei der Versorgung von weiblichen Patienten.

Eine Sermo-Umfrage ergab, dass 52 % der Ärztinnen und Ärzte ein ungerechtes Gesundheitswesen als wichtigste Herausforderung betrachten, Frauen eine hochwertige Versorgung zukommen zu lassen6. Diese Unterschiede betreffen auch den eigenen Zugang von Ärztinnen zur medizinischen Versorgung, da viele berichten, dass ihnen nicht geglaubt wird oder dass sie abgewiesen werden, wenn sie medizinische Hilfe suchen.

Einblick

Die Thematisierung dieser Probleme erfordert einen Wandel von Politik und Praxis, um sicherzustellen, dass Ärztinnen und ihre Patienten eine gerechte Versorgung erhalten.

Thematisieren der psychischen Gesundheit

Erhöhte Suizidraten

Ärztinnen sind zu alarmierenden Raten mit Herausforderungen konfrontiert, was die psychische Gesundheit betrifft. Die Suizidraten bei Ärztinnen sind drei- bis viermal höher, als bei der allgemeinen weiblichen Bevölkerung. Medizinstudentinnen sind ebenso betroffen, wobei 9,4 % bis zum 4. Jahr von suizidalen Gedanken berichten.

Die überwältigende Belastung durch die Arbeit, kombiniert mit geschlechtsspezifischen Herausforderungen, führt zu hohen Burnoutraten, wobei 61 % der Ärztinnen Burnout und berufsbezogenen Stress als die wichtigsten psychischen Probleme identifizieren6.

Einblick

Um die hohen Burnout-Raten und psychischen Probleme unter Ärztinnen zu bekämpfen, sind zielgerichtete Unterstützungssysteme und Ressourcen für die psychische Gesundheit erforderlich, die sowohl der Arbeitsbelastung als auch den geschlechtsspezifischen Herausforderungen am Arbeitsplatz gerecht werden.

Stigmatisierung, falls Hilfe gesucht wird

Ein signifikantes Hindernis, sich mit der psychischen Gesundheit zu beschäftigen, ist die Stigmatisierung. Ärztinnen zögern oftmals aus Angst vor beruflichen Konsequenzen, z. B. als schwach oder für die praktische Tätigkeit als ungeeignet wahrgenommen zu werden, Hilfe zu suchen. Diese Stigmatisierung isoliert Ärztinnen zusätzlich, was es schwieriger macht, mit den emotionalen Anforderungen ihrer Arbeit umzugehen.

Einblick

Die Förderung offener Diskussionen innerhalb der medizinischen Community ist entscheidend, um die Stigmatisierung der psychischen Gesundheit zu durchbrechen und sicherzustellen, dass sich Ärztinnen sicher fühlen können, wenn sie Hilfe suchen.

Förderung von Unterstützungsnetzwerken und Ressourcen für Frauen in der Medizin

Zugang zum Gebiet der Medizin

Frauen zu ermutigen, in den medizinischen Bereich einzusteigen, ist für den langfristigen Fortschritt unerlässlich. Während 76 % der Mitglieder der Sermo-Community glauben, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind, um Frauen für die Medizin zu begeistern1, berichten viele Ärztinnen, dass sie sich aufgrund ihres Geschlechts unterschätzt fühlen und 70 %, dass ihre klinischen Fähigkeiten aufgrund einer geschlechtsbezogenen Voreingenommenheit angezweifelt werden8.

Realisierbare Schritte:

  • Die Reichweite von Mentorship-Programmen verbessern, die auf junge, am Gesundheitswesen interessierte Frauen ausgerichtet sind.
  • Für Stipendien und finanzielle Unterstützung für Medizinstudentinnen sorgen
  • Für geschlechtsneutralere Aufnahmeprozesse an medizinischen Hochschulen eintreten

Mentorship- und Leadership-Programme

Mentorship ist ein leistungsstarkes Instrument zur Unterstützung von Ärztinnen, aber bislang haben eigenen Angaben zufolge nur 35 % der Frauen in der Medizin Zugang zu adäquaten Mentorship-Programmen6.

Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen ist es bei Ärztinnen unwahrscheinlicher, dass sie Mentoren oder Vorbilder haben10, was zu weiteren Herausforderungen bezüglich der Karriere führt. Initiativen wie Leadership-Trainings oder Karriere-Coachings wurden bei der ‚Women in Medicine Conference‘ als unverzichtbar angesehen, um die „gläserne Decke“ zu überwinden, die oftmals verhindert, dass Frauen vorankommen.

Einblick

Vernetzung, Mentorship und Leadership-Programme sind für die Unterstützung von Ärztinnen unerlässlich. Die Schaffung von Mentorship-Möglichkeiten durch Fachkollegen innerhalb der Sermo-Community kann helfen, diese Lücke zu schließen.

Unterstützung der Work-Life-Balance

Der Einsatz flexiblerer Arbeitspläne, umfassender Mutterschutzurlaub und Teilzeitarbeits-Optionen sind entscheidend, um Ärztinnen zu helfen, ihr Privat- und Berufsleben ins Gleichgewicht zu bringen. 26 % der Sermo-Mitglieder befürworten verbesserte Richtlinien für den Mutterschutzurlaub6 und die Unterstützung dieser Ideen kann die Mitarbeiterbindung bei Frauen in der Medizin verbessern.

Einblick

Die Einrichtungen sollten Ärztinnen Flexibilität und Unterstützung bieten, damit sie in ihrer Karriere und ihrem Privatleben erfolgreich sein können.

Ressourcen zur Bekämpfung von Diskriminierung

Der Zugang zu rechtlichen Ressourcen und Selbsthilfegruppen kann Ärztinnen dabei helfen, die Geschlechterdiskriminierung effektiver zu bekämpfen. Ein starkes Unterstützungsnetzwerk kann einen wesentlichen Unterschied für die Fähigkeit einer Ärztin ausmachen, mit Diskriminierung am Arbeitsplatz umzugehen und für Veränderungen einzutreten.

Kernpunkt

Ärztinnen haben im Gesundheitswesen eine einzigartige und wichtige Stimme.

Allerdings bestehen systembezogene Herausforderungen wie ungleiche Bezahlung, Sexismus, Work-Life-Balance-Probleme und Unterrepräsentierung in Führungspositionen.

Durch Mentorship-Förderung, Befürwortung einer flexiblen Arbeitspolitik und das Ermuntern zu offenen Diskussionen über die psychische Gesundheit kann die medizinische Community Frauen in der Medizin besser unterstützen.

Was können Sie heute tun?

Treten Sie der Sermo-Community bei:

  • Beteiligen Sie sich an wichtigen Diskussionen
  • Teilen Sie Ihre Erfahrungen in einem unterstützenden Raum
  • Lernen Sie von Fachkollegen, die die gleichen Situationen erlebt haben

Ob Sie mit Geschlechterdiskriminierung zu kämpfen haben, Ihre Work-Live-Balance verwirklichen wollen oder psychische Probleme thematisieren möchten: Es ist wichtig, daran zu denken, dass Sie mit diesen Problemen nicht alleine dastehen.

Durch die Teilnahme vernetzen Sie sich mit Kollegen, finden realisierbare Lösungen und helfen, für Frauen in der Medizin einen dauerhaften Wandel zu bewirken. Jetzt mitmachen

Footnotes

  1. Sermo
  2. Al-Busaidi IS, Sharif K, Hassan A. Gender, Geographic, and Socioeconomic Representation in Medical Student Journals: A Cross-Sectional Analysis. Cureus.
  3. Medscape
  4. PR Newswire
  5. Sermo
  6. Sermo-Community. (2024). Umfrage unter Mitgliedern der Sermo-Community.
  7. Healio
  8. BMA
  9. AMA
  10. Buddeberg-Fischer, B., Stamm, M., Buddeberg, C. et al. The impact of gender and parenthood on physicians‘ careers – professional and personal situation seven years after graduation. BMC Health Serv Res 10, 40 (2010).