Apps für medizinische Fachkräfte und Patienten

In einer kürzlichen Sermo-Umfrage gaben 55 % der Ärztinnen und Ärzte an, dass sie Patienten eine Gesundheits- oder Wellness-App empfohlen haben und 45 %, dass dies nicht der Fall war.1Diese nahezu gleiche Aufteilung zeigt, dass die Vorteile und Risiken von Apps im Gesundheitswesen von Medizinern noch abgewogen werden.

Für manche Ärzte ist das Potenzial von Apps nicht zu leugnen. “Gesundheits-Apps haben ein großes Potenzial, der Gesundheit der Menschen förderlich zu sein2, so ein Allgemeinmediziner auf Sermo. Andere sind vorsichtiger. Ein Augenarzt warnte, dass Apps zur Selbstdiagnose “Patienten irreführen können und unnötige Fragen verursachen2”, was Termine verkomplizieren kann.

Mit mehr als 318.000 Apps für Ärzte, die 2025 auf dem Markt sind1, stellt sich nicht die Frage, ob Ärzte diese Tools verwenden sollten, sondern wie die richtigen sicher in die Arbeitsabläufe integriert werden können.

Dieser Artikel bezieht sich auf die Daten aus Sermo-Umfragen und die Kommentare der Mitglieder, um folgende Fragen zu beantworten: Welche Risiken stellen Apps dar, welche sollten verwendet werden und wie können sich Ärzte in diesem Bereich zurechtfinden?

Die Zunahme von Apps im Gesundheitswesen: Game-Changer oder Risiko?

Medizinische Apps sind im Gesundheitswesen nicht länger eine Randerscheinung, sondern in die Arbeitsabläufe der meisten Ärztinnen und Ärzte integriert. Neue Daten zeigen, dass 80 % der Ärzte Smartphones3 und medizinische Apps im Beruf verwenden und dass nahezu 90 % dieser Ärzte sie in die klinische Praxis integrieren.4 Dieser Wandel signalisiert eine umfassendere Transformation der Art und Weise, wie Versorgung bereitgestellt und gemanagt wird.

Aber das Tempo der Übernahme hat die Regulierung überholt. Obwohl die Vorteile überzeugen, erkennen Mediziner in zunehmendem Maße, dass dieser Bereich mit Risiken behaftet ist, besonders im Hinblick auf Datenschutz, Fehlinformationen und Kontrolle. Diese Bedenken prägen derzeit die tägliche Praxis.

Bedenken bezüglich des Datenschutzes

Das vielleicht drängendste Problem ist der Datenschutz. Eine kürzlich durchgeführte Studie zu 30 führenden Gesundheits-Apps ergab, dass 100 % der Apps API-Schwachstellen aufwiesen, was geschützte personenbezogene Gesundheitsdaten, einschließlich klinischer Aufzeichnungen und demografischer Daten der Patienten, Sicherheitsverletzungen gegenüber anfällig macht.5

In einem Bereich, der auf Vertraulichkeit basiert, ist dies von großer Bedeutung. In einer Sermo-Umfrage gaben 64 % der Ärztinnen und Ärzte an, dass ihnen die Datenschutzbedenken bei Gesundheits-Apps bekannt sind, was bei mehr als einem Drittel somit nicht der Fall ist.1

Ein Allgemeinmediziner und Sermo-Mitglied fasste es unverblümt zusammen: “Diese Anwendungen erfassen und speichern eine große Menge persönlicher und medizinischer Daten der Benutzer… Dem Bereich der Gesundheits-Apps fehlt es meiner Meinung nach an starker Regulierung und einheitlichen Standards.2

Andere sind noch skeptischer. Ein Arzt auf Sermo (Notfallmediziner) sagte: “Die Verwendung dieser Apps kann Ärzten helfen… aber der Datenaustausch bringt die Patienten in eine derart angreifbare Position, dass ich die Verwendung dieser Apps nicht ansatzweise vorschlagen kann.2

Die Sorgen drehen sich um die Sicherheit, die mit mangelnder Transparenz verbunden ist. Patienten wissen oft nicht, wer Zugang zu ihren Daten hat oder wie diese verwendet werden und Ärzte können das ebenso nicht problemlos beurteilen, weshalb viele auf Nummer sicher gehen.

Fehlinformation

Über die Datensicherheit hinaus stellen Fehlinformationen eine weitere erhebliche Bedrohung dar. Während viele Apps informativer oder diagnostischer Natur sind, sind nicht alle präzise und nur wenige sind reguliert. Eine Studie ergab, das 23 % der Medizinerinnen und Mediziner fürchteten, dass Apps Angstgefühle verstärken oder zu schädlichen Selbstdiagnosen führen könnten.6 In einer Sermo-Umfrage gaben 43 % an, dass ihnen ein Patient begegnet ist, der von einer App in die Irre geführt wurde.1

Ein Ophthalmologe auf Sermo erklärte die Konsequenzen: “Verschiedene Apps zur Selbstdiagnose führen Patienten in die Irre und lassen sie in [einem] komplizierten Stadium der Erkrankung in der Klinik landen… was für die Patienten nicht gut ist.2

Diese verzögerte Versorgung ist in klinischer Hinsicht gefährlich. Ein anderer Arzt weist auf Sermo auf das umfassendere Problem von Fehl- und Desinformation hin und warnt, dass Patienten oftmals Apps und nicht Ärzten vertrauen, ohne die Beschränkungen der Apps zu verstehen. Ein Arzt auf Sermo ergänzte: “Diese Informationen werden manchmal falsch wiedergegeben und anstelle einem Patienten zu helfen, führt es zu Verwirrung und schädigt Patienten sogar.2

Ärzte sind nun mit einer zweifachen Herausforderung konfrontiert: Die Erkrankungen der Patienten betreuen und die falschen Annahmen zunichtemachen, die Apps erzeugen können.

Governance

Die meisten Ärzte sind sich einig, dass sich Gesundheits-Apps schneller entwickeln, als die Regeln, mit denen sie reguliert werden sollen. 78 % der Ärzte auf Sermo sagten, dass die Aufsichtsbehörden strengere Kontrollen anordnen sollten.1

Ein Sermo-Mitglied und Psychiater fasste die Dringlichkeit zusammen: “Es sind definitive Rechtsvorschriften erforderlich, ansonsten haben wir den Wilden Westen im Gesundheitswesen.2” Ein anderes Sermo-Mitglied aus der Notfallmedizin fordert Struktur: “Es sollte eine Organisation geben, die für die Regulierung verantwortlich ist und sicherstellt, dass diese Apps sind, was sie vorgeben zu sein, und dass korrekte Untersuchungen durchgeführt werden, um die Behauptungen zu belegen.2

Es werden einige Fortschritte erzielt. Die Kriterien zur Beurteilung von Gesundheits-Apps im Vereinigten Königreich bieten Medizinern Rahmenbedingungen zur Beurteilung von Tools, die auf Patienten ausgerichtet sind. Es sind Nachweise erforderlich, dass die App die Ergebnisse verbessert, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, dass sie einfach zu bedienen ist und von Patienten tatsächlich verwendet wird.7 Aber diese Art von Orientierungshilfe ist selten und die Bekanntheit ist beschränkt.

Wichtigste Erkenntnis: Überwiegen die Vorteile die Risiken?

Trotz dieser Risiken unterstützen viele Ärzte immer noch die verantwortungsvolle Nutzung von Gesundheits-Apps.1 Der Schlüssel ist eine durchdachte, evidenzbasierte Integration in die Versorgung und das Bewusstsein für die Fallstricke der KI – und nicht die blinde Übernahme.

Ein Sermo-Arzt aus dem Bereich der Geburtshilfe & Gynäkologie ist optimistisch: “Gesundheits-Apps sind im Allgemeinen nützlich und die Vorteile überwiegen deren Risiken.2” Und eine Allgemeinmedizinerin auf Sermo hebt hervor: “Es ist entscheidend, dass Ärzte ihre Patienten anleiten… und dass behördliche Regelungen etabliert werden.2

Um Patienten zu schützen und die Versorgungsstandards zu halten, müssen Ärzte selektiv bleiben, eine verantwortliche Regulierung befürworten und Apps als Unterstützungstools und nicht als klinische Stellvertreter behandeln, bis eine stärkere Beaufsichtigung und evidenzbasierte Standards vorhanden sind.

Unbedingt notwendige Apps für Ärztinnen und Ärzte: Welche sind es wert, heruntergeladen zu werden?

Da Ärztinnen und Ärzte zunehmend erkennen, dass gut gewählte Apps die Versorgung verbessern, die Kommunikation optimieren und die Patientenbindung unterstützen1, lautet die nächste Frage: Welche Apps sind es wert, empfohlen oder verwendet zu werden?

Die Antwort hängt davon ab, worum es sich bei der App handelt und welchem Zweck sie dient. Basierend auf Erkenntnissen und Empfehlungen von Sermo-Ärzten entfallen die effektivsten Tools auf drei wichtige Gruppen: Apps, die für Patienten konzipiert sind, Apps, die für Mediziner konzipiert sind und Apps, die zwischen beiden eine Brücke bauen.1

Apps für Patienten: Selbstfürsorge und gesunde Gewohnheiten fördern

Ärzte empfehlen häufig Websites und Apps, die Patienten helfen, Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen, insbesondere im Hinblick auf Veränderungen des Lebensstils, das mentale Wohlbefinden und die Betreuung von chronischen Erkrankungen.1

Apps wie MyFitnessPal und Fitbit werden häufig genannt. Ein Sermo-Mitglied und Internist führt aus: “Ich empfehle Apps nur, wenn ich sie selbst verwendet habe. Fitbit zum Zählen der Schritte, MyFitnessPal.2” Diese Apps unterstützen das Verfolgen der Ernährung, die körperliche Aktivität und die Zielsetzung – sie motivieren Patienten, Verantwortung zu übernehmen.

Eine Allgemeinmedizinerin auf Sermo befürwortete ein breiteres Spektrum: “Diese Apps bieten eine breite Palette potenzieller Vorteile… Ich persönlich messe diese Parameter selbst mit GoogleFit.2” Diese Art von Nutzung im wirklichen Leben baut Vertrauen in digitale Tools auf.

Für die psychische Gesundheit empfehlen Ärzte Achtsamkeits-Apps und Apps für die kognitive Verhaltenstherapie wie Headspace. Ein Kardiologe auf Sermo bezeichnet es als ein wichtiges Tool zur Stressreduktion. In der Zwischenzeit zeigen Apps wie Clue zur Verfolgung der Menstruation und Asthma Buddy für chronische Erkrankungen den Nutzen von maßgeschneiderten, funktionalen Apps in verschiedenen Lebensphasen und bei verschiedenen Erkrankungen.

Diese Tools bieten Patienten Informationen, während sie Verhaltensänderungen und ein Gefühl von Handlungsfähigkeit fördern.

Apps für Ärzte: Genauigkeit, Effizienz und Entscheidungsfindung verbessern

Wenn es um die klinische Praxis geht, benötigen Ärztinnen und Ärzte Apps, die vertrauenswürdig, evidenzbasiert und zeitsparend sind.1

Viele Ärzte bevorzugen dabei Tools, die von Verbänden unterstützt werden. Ein Kardiologe auf Sermo erklärte: “Ich empfehle keine speziellen, sogenannten Gesundheits-Apps; ich empfehle die Websites von Berufsverbänden wie ADA, AHA.2“ Diese Betonung der Zuverlässigkeit hilft, die Fallstricke von nicht beurteilten Quellen zu vermeiden.

Apps zur Unterstützung der Diagnostik und der klinischen Arbeitsabläufe fallen ebenso auf. Eine Kardiologin auf Sermo nennt Ada, ein KI-gestütztes Tool zur Symptombewertung, während ein Arzt aus dem Bereich der Notfallmedizin lobte, wie Apps “jederzeit und überall den Zugang zu medizinischen Ratschlägen ermöglichen.2” Diese Tools helfen, die Triage zu beschleunigen und die Entscheidungsfindung zu verbessern.

Kommunikation ist ein weiterer Schlüsselbereich. MyChart, von mehreren Ärztinnen und Ärzten erwähnt, bietet Patienten Zugriff auf ihre Patientenakten und ermöglicht es, Ärzten Nachrichten zu schicken. Ein Dermatologe auf Sermo wies auf das Potenzial in Entwicklungsländern hin: “Es ist gut, alle Patientenakten als digitale Version zur Verfügung zu haben.2

Neben klinischen Tools schätzen viele Ärzte ebenso Plattformen, die berufliche Verbindungen und gemeinsames Lernen fördern. Sermo ist ein vertrauenswürdiger Ort, an dem sich Ärztinnen und Ärzte weltweit vernetzen, Erkenntnisse austauschen und bei komplexen Fällen mit Fachkollegen weltweit zusammenarbeiten können. Mit mehr als 1 Million verifizierten Mitgliedern ist es sowohl eine App für Ärztinnen und Ärzte als auch eine globale medizinische Community.

Die Kernpunkte

Apps im Gesundheitswesen werden von Dauer sein, aber die durchdachte Integration ist der Schlüssel. Von Lifestyle-Trackern bis hin zu klinischen Support-Tools sind die besten Apps die, die evidenzbasiert, sicher und auf eindeutige Ziele abgestimmt sind. Ärzte bevorzugen Apps, die klinisch relevant, vertrauenswürdig und zielgerichtet sind, insbesondere diejenigen, die sie persönlich getestet haben. 

Angesichts der Regulierung im Vereinigten Königreich und der Zunahme medizinischer KI-Plattformen spielen Medizinerinnen und Mediziner eine wichtige Rolle, deren Verwendung anzuleiten: Patienten helfen, Fehlinformationen zu vermeiden, die Privatsphäre schützen und Tools empfehlen, die die Versorgung ernsthaft unterstützen. 

Mit zunehmender Akzeptanz bleibt ein fundiertes klinisches Urteil die wichtigste Schutzmaßnahme in der Ära der digitalen Gesundheit.

Beteiligen Sie sich auf Sermo an der Diskussion

Auf Sermo kommen echte Ärztinnen und Ärzte zusammen, um mit der zunehmenden Anzahl von Apps im Gesundheitswesen zurechtzukommen – von der Empfehlung vertrauenswürdiger Tools bis zur Debatte über deren Risiken. 

Ob Sie an Umfragen teilnehmen, zu Fallstudien beitragen oder sich an Diskussionen über die neuesten medizinischen Durchbrüche beteiligen – Sermo ist eine lebendige Community von Ärztinnen und Ärzten, die die Zukunft des Gesundheitswesens gestalten.

Footnotes

  1. Sermo, 2024. Umfrage der Woche: Das Gesundheits-App-Rätsel: Vorteilhaft oder schädlich für Patienten? [Poll]. Sermo-Community.
  2. Sermo-Mitglied, 2024. Kommentar zur Umfrage der Woche: Das Gesundheits-App-Rätsel: Vorteilhaft oder schädlich für Patienten? [Poll]. Sermo-Community [Private online forum].
  3. Healthcare IT News, 2011. Smartphones, medical apps used by 80 percent of docs.
  4. Mobasheri MH, King D, Johnston M, et al The ownership and clinical use of smartphones by doctors and nurses in the UK: a multicentre survey studyBMJ Innovations 2015;1:174-181.
  5. Compliancy Group, 2024. Healthcare App Security: Are Health Apps Putting PHI at Risk?
  6. Giebel GD, Abels C, Plescher F, Speckemeier C, Schrader NF, Börchers K, Wasem J, Neusser S, Blase N. Problems and Barriers Related to the Use of mHealth Apps From the Perspective of Patients: Focus Group and Interview Study. J Med Internet Res 2024;26:e49982. doi: 10.2196/49982. PMID: 38652508. PMCID: 11077409.
  7. Public Health England, 2017. Criteria for health app assessment.