
In einer kürzlich von Sermo durchgeführten Umfrage berichteten 60 % der Ärztinnen und Ärzte, dass der wachsende Fokus auf Wellness-Initiativen ihr Arbeitspensum gesteigert hat, während 40 % sagten, dass dies nicht der Fall ist.1 Dieses Missverhältnis wirft wichtige Fragen auf: Warum gibt es diese Kluft? Gibt es eine Möglichkeit, das Wohlbefinden weiterhin zu fördern und gleichzeitig die zusätzlichen Belastungen für Gesundheitsdienstleister zu mindern?
Das präventive Gesundheitswesen hat an Dynamik gewonnen — der globale Markt für Präventionsmedizin wird von 2023 bis 2033 voraussichtlich eine kumulierte jährliche Wachstumsrate von 8,4 % aufweisen2, was die Art der Interaktion von medizinischen Fachkräften mit Patienten neu gestalten wird. Durch die Betonung einer proaktiven Versorgung, die Befähigung von Patienten und durch ganzheitliche Behandlungen hat die Wellness-Revolution die Erwartungen1 im Gesundheitswesen verschoben.
Dieser Artikel untersucht die Auswirkungen dieser Trends, indem Umfragedaten und Erkenntnisse aus der Sermo-Community von Ärztinnen und Ärzten analysiert werden. Wir werden die Herausforderungen und Vorteile eines präventiven Gesundheitswesens untersuchen, diskutieren, wie sich dies auf das Arbeitspensum von Ärztinnen und Ärzten auswirkt und überlegen, was die Zukunft bereithält, wenn es darum geht, Wellness-Initiativen auf nachhaltige Weise zu integrieren.
Was ist die Wellness-Revolution und warum ist das wichtig?
Die Wellness-Revolution stellt eine Verschiebung des Gesundheitswesens in Richtung präventive Versorgung, Befähigung von Patienten und ganzheitliche Behandlung dar.1 Ziel dieser Prinzipien ist es, eine effizientere Patientenversorgung zu erreichen, die Belastung durch chronische Krankheiten zu reduzieren, zu einem gesünderen Lebensstil zu ermutigen und alternative Ansätze neben der traditionellen medizinischen Versorgung zu integrieren.3
Präventive Versorgung
Ärzte konzentrieren sich zunehmend auf frühe Interventionen, um gesundheitliche Probleme zu verhindern, anstatt nur Symptome zu behandeln. Obwohl die Prävention für die langfristige öffentliche Gesundheit von Vorteil ist, sind einige Ärzte der Ansicht, dass die Anreize innerhalb der Gesundheitssysteme eher auf reaktive Behandlungen als auf proaktive Strategien ausgerichtet sind.1
So wie es ein Sermo-Mitglied aus der Allgemeinmedizin treffend ausdrückt: “Wir investieren zu viele Ressourcen in die Behandlung von Erkrankungen. Fachärzte werden für die Behandlung von fehlgeschlagener Prävention entlohnt. Es sollte umgekehrt sein. Präventive Therapien sollten Vorrang haben.4”
Befähigung von Patienten
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Wellness-Revolution ist es, Patienten zu ermutigen, die Kontrolle über ihre Gesundheit zu übernehmen.5 In der Theorie führt dies zu besserer Selbstfürsorge und besserem Lebensstil-Management. In der Praxis sind jedoch zusätzliche Anstrengungen seitens der Ärzte erforderlich, um Patienten effektiv zu unterrichten und anzuleiten.
Eine Hausärztin in der Sermo-Community betont diese Veränderung: “Es hat mich angespornt, mich mehr auf die Prävention zu konzentrieren und Patienten in die Lage zu versetzen, sich aktiv um ihre Gesundheit zu kümmern und gesunde Gewohnheiten und die Selbstfürsorge zu unterstützen.4”
Ganzheitliche Behandlungen
Das Konzept eines ganzheitlichen Gesundheitswesens hat an Bedeutung gewonnen und bezieht das körperliche, emotionale und mentale Wohlbefinden in die Patientenversorgung ein. Der globale Wellness-Markt wird von 2020-2025 ein voraussichtliches jährliches Wachstum von 7 % aufweisen.6 Obwohl dieser Ansatz potenzielle Vorteile bietet, sorgt er ebenso für Komplexitäten, wenn herkömmliche medizinische Behandlungen mit ergänzenden Therapien abgeglichen werden sollen.
Ein Sermo-Mitglied (Allgemeinmediziner) hebt diesen Wandel hervor: “Das mentale, emotionale und physische Wohlbefinden wird immer stärker betont, was Gesundheitsdienstleiter ermutigt, bei der Versorgung der Patienten einen umfassenderen Ansatz zu übernehmen.4”
Die ärztliche Sichtweise: eine gemischte Reaktion
Was sagten Ärztinnen und Ärzte auf Sermo, als sie gefragt wurden, wie sie die Wellness-Revolution wahrnehmen:
- 50 % sagten, dass die Ergebnisse der Patienten und die Zufriedenheit des Arztes verbessert werden.
- 38 % waren neutral und erkannten sowohl die Vorteile als auch die Herausforderungen an.
- 7 % betrachteten sie negativ und verwiesen auf den zunehmenden Druck sowie die Komplikationen in der Versorgung.
- 5 % waren nach wie vor unsicher.1
Die Hälfte (50 %) der befragten Ärzte sehen sie als positiv an und verweisen auf die Ergebnisse für die Patienten und deren Zufriedenheit. Ein Hausarzt auf Sermo erklärt, dass ihm dieser Wandel ermöglicht hat, bei der medizinischen Versorgung einen ganzheitlicheren Ansatz zu verfolgen, bei dem Wohlbefinden als Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele betrachtet wird, und nicht nur als Abwesenheit von Krankheiten.4 Ein Urologe auf Sermo beschreibt diese Transformation in ähnlicher Weise als “Hilfe, die Kosten im Gesundheitswesen langfristig zu reduzieren4”, indem sich der Fokus von der Behandlung einer Erkrankung auf deren Prävention verschiebt.
Allerdings bleiben 38 % neutral und erkennen sowohl die Vorteile, als auch die praktischen Herausforderungen. Ein Allgemeinmediziner auf Sermo merkt an, dass Prävention wichtig ist, aber “zu unbegründeten Terminen führen kann,4 besonders wenn Patienten medizinische Daten von Geräten für Verbraucher fehlinterpretieren.”
Skepsis ist ebenso vorhanden: 7 % der Ärztinnen und Ärzte sehen ein Problem im Wellness-Trend, da dieser die Behandlung zu stark vereinfacht und das klinische Arbeitspensum erhöht. Ein Rheumatologe auf Sermo warnt, dass Wellness-Lösungen die Versorgung ergänzen können, sie die evidenzbasierte medizinische Betreuung aber nicht ersetzen sollten.4
Weitere 5 % sind nach wie vor unsicher, was darauf hinweist, dass sich die Bewegung zwar ausweitet, ihre volle Wirkung jedoch noch entfalten wird.
Die Vor- und Nachteile der Wellness-Revolution im Gesundheitswesen
Die Erfahrung der Patienten ändert sich: Werden die Erwartungen der Patienten unrealistisch?
Eine der bedeutendsten Veränderungen war eine stärkere Einbindung der Patienten – scheinbar eine positive Entwicklung angesichts der verhaltensbedingten Einflussfaktoren auf die Gesundheit.7 Nahezu die Hälfte (49 %) der Ärztinnen und Ärzte erkennt an, dass Patienten bezüglich ihrer Gesundheit proaktiver agieren1, was zu besser informierten Konsultationen und gemeinsamer Entscheidungsfindung führt..
Ein Hausarzt auf Sermo denkt darüber nach: “Die Wellness-Revolution hat dazu geführt, dass sich Patienten bezüglich ihrer Gesundheit proaktiver verhalten, was die Tür für sinnvolle Gespräche und personalisierte Versorgung öffnet.4”
Diese medizinische Befähigung führt jedoch manchmal zu unrealistischen Erwartungen. Ärzte berichten, dass Wellness-Trends von Patienten oftmals missverstanden werden, was zu Fehlinformationen und unangebrachtem Vertrauen in alternative Behandlungen führt.
Ein Pädiater auf Sermo warnt: “Patienten sind sehr an natürlicher Medizin, Homöopathie und Pflanzenkunde interessiert, was oft zu falschen Erwartungen an magische Lösungen für ihre Beschwerden führt.4”
Ein Gleichgewicht zwischen Empathie und evidenzbasierter Orientierung kann dazu beitragen, die Lücke zwischen Wellness-Trends und medizinischer Realität zu schließen.
Mehr Behandlungsoptionen: ganzheitliche Ansätze vs. herkömmlich medizinische Versorgung
Während einige Ärzte erweiterte Behandlungsmöglichkeiten als vorteilhaft ansehen, haben andere Probleme, diese mit herkömmlichen Ansätzen in Einklang zu bringen.
- 28 % glauben, dass die Integration ganzheitlicher Behandlungen die Patientenversorgung verbessert hat.
- 23 % finden es schwierig, Wellness-Initiativen mit der traditionellen medizinischen Versorgung in Einklang zu bringen.1
Ärzte, die ergänzende Therapien in die Praxis integrieren, bemerken positive Ergebnisse.
Ein Hausarzt teilt auf Sermo mit: “Ich habe ergänzende Therapien wie Akupunktur oder Meditation integriert, die konventionelle Behandlungen verbessern und das allgemeine Wohlbefinden der Patienten verbessern.4”
Einige Wellness-Trends stehen jedoch im Widerspruch zur evidenzbasierten Medizin.
Ein Sermo-Mitglied aus dem Bereich der Inneren Medizin warnt: “Ich bin dafür, dass Patienten bezüglich ihrer Gesundheit eine aktive Rolle übernehmen, aber sie vertrauen zu oft zu sehr dem TV und medizinischen Fehlinformationen. Ein Beispiel ist die Verwendung von Cannabis zur Behandlung von Diabetes anstelle von Insulin/Metformin.4”
Die zentrale Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen ganzheitlichen, personalisierten Ansätzen und evidenzbasierter Medizin zu finden. Ein Hausarzt auf Sermo schlägt die Integration ergänzender Therapien in die konventionellen Behandlungen vor4, während ein Internist auf Sermo die Notwendigkeit der Aufklärung von Patienten zur Bekämpfung von Fehlinformationen und zur Stärkung der medizinischen Beratung hervorhebt4
Bekanntheit von Burnout und die psychische Gesundheit: Wie sich präventive Wellness-Trends auf das Arbeitspensum von Ärztinnen und Ärzten auswirken
Zunehmende Betonung des Wohlbefindens von Ärztinnen und Ärzten (11 %)1
Während die Wellness-Bewegung das Bewusstsein für die psychische Gesundheit betont hat, sind viele Ärzte der Meinung, dass es an systembezogener Unterstützung fehlt.
Ein Allgemeinmediziner auf Sermo merkt an, dass ein positives Ergebnis dieser Verschiebung eine größere Anerkennung der Auswirkungen psychischer Traumata auf die Gesundheit ist, was zu engagierteren Patienten führt.4
Ein anderer Allgemeinmediziner weist jedoch darauf hin, dass das Wohlbefinden zwar umfassend diskutiert wird, die spürbaren Verbesserungen jedoch minimal bleiben.4
Darüber hinaus unterstreicht ein Neurologe auf Sermo die Erwartung, dass Ärzte starken Stress ohne angemessene Unterstützung aushalten müssen, ein Anliegen, das in der gesamten Berufsgruppe Widerhall findet.4
Auch wenn das Bewusstsein für das Wohlbefinden der Ärztinnen und Ärzte zunimmt, sind immer noch sinnvolle systembezogene Veränderungen erforderlich, um echte Unterstützung zu bieten, Burnout zu reduzieren und sicherzustellen, dass Wellness-Initiativen zu realisierbaren Verbesserungen führen – und nicht nur zu Diskussionen.
Zunehmende Verwaltungsaufgaben (21 %)1
Ärzte führen ebenso Burnout durch übermäßige Formalitäten an. Ein Hausarzt auf Sermo argumentiert zum Beispiel, dass Wellness-Initiativen oftmals zu mehr Meetings und Dokumentation führen, anstatt zu echten Lösungen.4
Wellness-Initiativen müssen der Effizienz Vorrang einräumen und sicherstellen, dass sie den Verwaltungsaufwand reduzieren, anstatt ihn zu erhöhen, damit sich Ärztinnen und Ärzte auf die Patientenversorgung konzentrieren können, anstatt auf übermäßige Formalitäten.
Mangel an Zeit oder Ressourcen (11 %) 1
Ärzte erkennen den Wert von Wellness-Strategien, haben wegen zeitlicher Einschränkungen aber Probleme, diese zu integrieren. Ein Arzt aus dem Bereich der Geburtshilfe hebt auf Sermo beispielsweise hervor, wie die Anforderungen an eine von der Führungsebene angeordnete Dokumentation die Zeit für die Patientenversorgung weiter verkürzen.4
Um Wellness nachhaltig zu gestalten, können Delegation, Botschafter und technologiegetriebene Lösungen dazu beitragen, die Arbeitsbelastung zu verringern.
Was kommt als Nächstes? Die Zukunft der ärztlich angeleiteten Wellness
Wie wird die Wellness-Revolution das Gesundheitswesen prägen?
Als sie nach der Zukunft von Wellness im Bereich der Patientenversorgung gefragt wurden:
- Sagten 41 %, dass sie zu besseren Ergebnissen für die Patienten und Zufriedenheit mit der Arbeit führen würde.
- Erkannten 41 % sowohl Möglichkeiten als auch Herausforderungen.
- Waren 11% der Ansicht, dass sie die Belastung der Ärzte steigern würde.
- Waren 7 % unsicher.1
Einige Ärzte hoffen, dass gemeinschaftliche Versorgungsmodelle bessere Lösungen bieten werden. Ein Internist schreibt dazu auf Sermo: “Die Arbeit im Team und nicht als einzelner Arzt ist für den Patienten und den Mediziner immer von Vorteil.4”
Andere machen sich jedoch Sorgen wegen der zunehmenden Anforderungen an Ärztinnen und Ärzte.
Ein Hausarzt auf Sermo warnt: “Die Wellness-Revolution ist ein großes Ziel, aber vor allem anspruchsvoll. Die Herausforderung besteht darin, einen Weg zu finden, Zeit und Geld zu investieren, um dieses Ziel zu erreichen.4”
Die Kernpunkte
Die Wellness-Revolution gestaltet die Patientenversorgung grundlegend neu, wobei Prävention, Befähigung und ganzheitliche Medizin im Vordergrund stehen.
Während viele Ärztinnen und Ärzte die Vorteile eines proaktiven Gesundheitswesens schätzen, führen andere Gesundheits- und Wellnessbedenken an und fühlen sich von der zusätzlichen Arbeitsbelastung, den unrealistischen Erwartungen der Patienten und den Verwaltungsaufgaben überwältigt.
In Zukunft wird die Herausforderung sein, Wellness-Initiativen zu integrieren, die sich an der evidenzbasierten Medizin orientieren, um die Wünsche der Patienten, die Gesundheit sowie das Wohlbefinden der Ärzte zu unterstützen.
Durch die Verfeinerung der Ansätze, den Einsatz von Technologie und die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit können Gesundheitssysteme ein Gleichgewicht finden und sicherstellen, dass die präventive Versorgung die medizinische Praxis verbessert, anstatt sie zu behindern.
Beteiligen Sie sich auf Sermo an der Diskussion
Die Wellness-Revolution verändert das Gesundheitswesen, aber wie können Ärzte die Herausforderungen meistern und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung gewährleisten?
Sermo ist der Ort, wo sich Ärztinnen und Ärzte weltweit über reale Auswirkungen unterhalten, Erfahrungen austauschen und praktische Lösungen finden. Beteiligen Sie sich an der Diskussion, greifen Sie auf die Erkenntnisse aus exklusiven Umfragen zu und vernetzen Sie sich mit Fachkollegen, die die Komplexität des modernen Gesundheitswesens verstehen.
Footnotes
- Sermo, 2024. Umfrage der Woche: Sich in der Wellness-Revolution im Gesundheitswesen zurechtfinden [Poll]. Sermo-Community.
- Future Market Insights, 2024. Preventive Medicine Market Report.
- WorldClinic, 2024. Benefits of preventive health.
- Sermo-Mitglied, 2024. Kommentar zur Umfrage der Woche: Sich in der Wellness-Revolution im Gesundheitswesen zurechtfinden [Poll]. Sermo-Community [Private online forum].
- Thiruvengadam SK, Ashvetiya T, Stone NJ, Blumenthal RS, Martin SS. Shared Decision-Making and Patient Empowerment in Preventive Cardiology. Curr Cardiol Rep. 2016 May;18(5):49. doi: 10.1007/s11886-016-0729-6. PMID: 27098670.
- Business Gateway, 2023. Market Report: Alternative & Complementary Therapy.
- Short SE, Mollborn S. Social Determinants and Health Behaviors: Conceptual Frames and Empirical Advances. Curr Opin Psychol. 2015 Oct;5:78-84. doi: 10.1016/j.copsyc.2015.05.002. PMID: 26213711; PMCID: PMC4511598.