Wie man Burnout bei Ärzten verhindern und reduzieren kann

Es ist kein Geheimnis, dass Burnout erhebliche persönliche, klinische und organisatorische Konsequenzen für Ärzte hat. Über die Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität hinaus kann die Reduzierung von Burnout zur besseren Versorgung von Patienten und zu besseren Arbeitsumgebungen für Ärzte führen. 

Die Thematisierung von Burnout in der Medizin ist zunehmend weniger ein Tabu. Anstelle eines Zeichens von Schwäche ist es eine notwendige Anerkennung der Herausforderungen der Branche. Und das ist der erste Schritt zur Verbesserung der Work-Life-Balance.

Hier ist ein Leitfaden, der sich mit den primären Burnout-Symptomen sowie mit evidenzbasierten Burnout-Lösungen für Ärzte beschäftigt. Falls Sie Hilfe benötigen erhalten Sie bei Physicians Anonymous eine 1:1-Unterstützung durch Fachkollegen. Falls Sie eine sofortige Intervention benötigen, rufen Sie die Physician Support Line unter 1-888-409-0141 an.

Was ist Burnout bei Ärztinnen und Ärzten?

Mehr als die Hälfte der Ärzte in den Vereinigten Staaten (60 %) verzeichnet einen Burnout — ein anhaltender Zustand von Stress und Antriebslosigkeit. Wird ein Burnout nicht betreut, so kann er sich auf den psychischen und physischen Zustand eines Arztes auswirken. Und auf organisatorischer Ebene steigert er die Fluktuation der Mitarbeiter, das Prozessrisiko und sorgt für eine schlechte Moral. 

In klinischer Hinsicht gefährdet Burnout die Sicherheit der Patienten und erhöht die Wahrscheinlichkeit für Kunstfehler. So wie es ein Sermo-Mitglied (Familienmediziner) ausdrückt: “Wenn sich die Mitarbeiter im Gesundheitswesen nicht in guter mentaler Verfassung befinden, können Patienten nicht die Versorgung erhalten, die sie benötigen.”

Medizinische Hochschulen und Facharztprogramme schaffen bei Ärzten das Bewusstsein für Burnout. In medizinischen Fortbildungsprogrammen werden angemessene Grenzen am Arbeitsplatz oftmals nicht thematisiert — und sie treten dafür normalerweise auch nicht ein. Die gleichen Faktoren, die den Erfolg in der medizinischen Ausbildung bewirken, können ebenso einen Burnout verursachen, zum Beispiel wenn Patienten, koste es, was es wolle, an die erste Stelle gesetzt werden, Perfektionismus kultiviert wird und ein belastendes Arbeitspensum vorliegt. 

Ärzte verzeichnen ebenso Hindernisse bezüglich der Versorgung von Patienten. Ein Psychiater und ein SERMO-Mitglied sagt:

“Meine Organisation bietet keine sinnvollen Unterstützungsprogramme, was mir das Gefühl gibt, ohne Unterstützung dazustehen und überfordert zu sein.” Eine globale Sermo-Studie unter Ärzten ergab, dass 34 % eher geneigt wären, Hilfe zu suchen, falls sie davon ausgehen könnten, dass dies keine beruflichen Konsequenzen hätte. 

Ein Arzt in einem Kittel sitzt an einem Schreibtisch, vor sich ein Laptop, und der Kopf ruht in den Händen. Er scheint müde und gestresst sein, was die eskalierende Krise bezüglich der psychischen Gesundheit unter medizinischen Fachkräften hervorhebt.
Ein Arzt in einem Kittel sitzt an einem Schreibtisch, vor sich ein Laptop, und der Kopf ruht in den Händen. Er scheint müde und gestresst sein, was die eskalierende Krise bezüglich der psychischen Gesundheit unter medizinischen Fachkräften hervorhebt.

3 identifizierbare Symptome von Burnout

Dr. Christina Maslach, deren Forschung zur Definition des Burnout beigetragen hat, beschreibt ihn als “eine Erosion der menschlichen Seele, verursacht durch eine Verschlechterung der Werte, der Würde, des Geistes und des Willens.” Dr. Maslach veröffentlichte 1981 zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen an der University of San Francisco das Maslach Burnout Inventory (MBI). 

Das MBI ist der Standard für die Burnout-Diagnose. Es umfasst drei primäre diagnostische Dimensionen des Burnouts: Emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und berufliche Effizienz. Diese bieten einen Rahmen für das Verständnis, wie einem Arzt bei einem Burnout geholfen werden kann:

  1. Emotionale Erschöpfung: Dies bezieht sich auf das chronische Gefühl von emotionaler Überforderung und erschöpfter emotionaler Kapazität. 
  2. Depersonalisation oder Zynismus: Depersonalisation bezieht sich auf eine losgelöste oder gefühllose Einstellung Patienten, Kollegen und der eigentlichen Arbeit gegenüber. In Abhängigkeit von der MBI-Version kann es sich auf Depersonalisation oder Zynismus als diagnostische Kategorie beziehen. Die Depersonalisation als diagnostische Kategorie bezieht sich auf Leistungs- und pflegebasierte Berufe, während sich Zynismus sich auf alle Berufe bezieht. 
  3. Reduzierte berufliche Effizienz: Dies bezieht sich auf ein zunehmendes Gefühl von Inkompetenz und verminderter Leistung bei der eigenen Arbeit. 

Eine Gruppe von Forschern der Psychiatrie-Abteilung des Massachusetts General Hospital (MGH) und der Harvard Medical School verwendeten das MBI, um Burnout bei 1373 Ärzten aus mehreren Fachgebieten über einen Zeitraum von fünf Jahren zu untersuchen. Sie fanden heraus, dass die Burnout-Raten unter Ärzten in den USA zunehmen. Die Forschung deutet darauf hin, dass die Anzahl der Burnout-Fälle bei weiblichen Ärzten, Hausärzten und Ärzten mit 10 Jahren oder weniger an Berufserfahrung alarmierend höher ist.

Die häufigsten Ursachen für Burnout bei Ärzten

Es gibt keine universelle Behandlung oder Ursache eines Burnouts bei einem Arzt. Die Faktoren für einen Burnout bei einem Arzt können sich von denen beim nächsten Arzt unterscheiden. Deshalb sollten Ärzte ihre Erfahrungen reflektieren und identifizieren, wo die Ursache liegen könnte.

Wir können an geläufige Ursachen für Burnout denken, die sich auf persönliche, organisatorische Faktoren oder Faktoren in Verbindung mit der Branche beziehen. 

Persönliche Einflussfaktoren

Zu den persönlichen Faktoren, die beitragen können, zählen:

  • Falsches Fachgebiet: Die Patientenpopulation, die verwaltungstechnischen Anforderungen und das Arbeitsumfeld eines Fachgebiets müssen zum Temperament eines Arztes passen. Ein ehemaliger Hausarzt sagte auf Sermo: “Ich hatte die Nase voll davon, Hausarzt zu sein (Papierkram, Ausgaben, Betrieb einer Praxis usw.) und ich habe mich auf die Assistenz in der Chirurgie umgestellt — die beste Entscheidung meines Lebens!”
  • Schlechtes persönliches Wohlbefinden: Eine Sermo-Umfrage ergab, dass 45 % der Ärzte Ihren Arbeitsplan als größte Herausforderung nannten, die Work-Life-Balance zu erhalten. Infolgedessen stehen ausreichender Schlaf, gesundes Essen oder körperliche Betätigung nicht an erster Stelle. Die Literatur assoziiert jedes davon mit Burnout. 
  • Unzureichende Unterstützungssysteme: Eine Studie der Mayo Clinic deutet an, dass es bei Ärzten viel wahrscheinlicher ist (165 %), dass sie sich isoliert und von nahestehenden Personen losgelöst fühlen, als es bei Nicht-Ärzten der Fall ist. Sie fand heraus, dass der Einfluss der Branche auf persönliche Beziehungen die führende Ursache für Burnouts bei Ärzten sein kann und dass die Anpassung des Einflusses der Arbeit auf persönliche Beziehungen die erhöhten Raten des Burnout-Risikos bei Ärzten beseitigt. 

Ein Psychiater schrieb auf Sermo über die Bewältigung dieser persönlichen Faktoren und die Verhinderung eines Burnouts bei Ärzten. „Ich persönlich versuche, mein Bestes zu geben. Sport früh morgens, um Zeit für die Familie zu reservieren, ist z. B. eine gute, aber anstrengende Strategie. Ich versuche, den Terminplan in meiner Praxis nicht vollständig zu füllen, auch wenn dies mit etwas geringeren Einnahmen einhergeht. Und das Bewusstsein zu wahren, so gut zu leben, wie ich kann und kostbare Zeit mit der Familie und Freunden zu verbringen.

Organisatorische Einflussfaktoren

Laut einer Sermo-Studie glaubt mehr als die Hälfte der Ärzte (55 %), dass Organisationen nicht genug tun, um die berufliche Belastung zu reduzieren. Zu den Belastungen, die direkt zu Burnout führen, zählen schlechtes Management, belastendes Arbeitspensum und begrenzte Karrierechancen. 

Eine Organisation kann ebenso indirekt zum Burnout beitragen, wenn sie keine Initiativen zur Unterstützung des Wohlbefindens anbietet oder diese priorisiert. In einer Sermo-Umfrage gaben 48 % der Befragten an, dass sie eine Unterstützung der psychischen Verfassung nutzen würden, die ihr Arbeitgeber oder eine Partnerorganisation anbietet. 

Wenn Initiativen zur Unterstützung des Wohlbefindens weiterhin nicht priorisiert werden, können Organisationen damit ebenso indirekt zum Burnout beitragen, wenn anspruchsvolle, unvorteilhafte Bedingungen für die Work-Life-Balance vorliegen. Diese Bedingungen können auf nachteilige Vertragsklauseln oder eine belastende Arbeitsplatz-Kultur zurückzuführen sein. Tatsächlich sind 63 % der Sermo-Ärzte der Meinung, dass sie erfolgreich eine Work-Life-Balance aufrechterhalten können, während 37 % damit Probleme haben. Ein Allgemeinmediziner in Großbritannien erklärte in einer kürzlichen Diskussion auf Sermo, “Ja, es ist sehr schwierig, das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Familie zu bewahren. Ein Gleichgewicht muss aufrechterhalten werden, damit Ärzte nicht mit psychischen Erkrankungen und Stress zu kämpfen haben.“

Branchenbezogene Einflussfaktoren 

Zwei führende branchenbezogene Burnout-Ursachen sind belastende Verwaltungsaufgaben und medizinisch-rechtliche Risiken. 

  • Verwaltungsaufwand: Dem 2024 Medscape Physician Burnout and Depression Report zufolge sagen 62 % der Ärzte, dass die Belastungen durch den Verwaltungsaufwand die primäre Burnout-Ursache sind. Bürokratische Aufgaben können sogar verhindern, dass Ärzte sinnvolle Pause einlegen. “Kürzere Ferien sind stressig und fast nichts wert, wenn man zurückkehrt und einen Haufen Papierkram vor sich hat,” erläutert ein Sermo-Mitglied (Allgemeinmediziner). 
  • Medizinisch-rechtliches Risiko: Ein führender Faktor für die Überbehandlung ist die Angst vor Kunstfehlern. Je mehr ein Arzt Kunstfehler fürchtet, desto eher ist er geneigt, dies zu kompensieren und diese zusätzliche Arbeit kann zum Burnout führen. 
Zwei Menschen sitzen im Wohnzimmer auf einem Sofa und unterhalten sich über die psychische Gesundheit. Eine Person gestikuliert mit den Händen, während die andere Person, die eine Brille trägt, zuhört. Im Hintergrund sind Bücherregale und ein Schreibtisch zu sehen, die die fürsorgliche Umgebung ergänzen.
Zwei Menschen sitzen im Wohnzimmer auf einem Sofa und unterhalten sich über die psychische Gesundheit. Eine Person gestikuliert mit den Händen, während die andere Person, die eine Brille trägt, zuhört. Im Hintergrund sind Bücherregale und ein Schreibtisch zu sehen, die die fürsorgliche Umgebung ergänzen.

Wie man Burnout bei Ärztinnen und Ärzten verhindern kann

Ungefähr 8 von 10 (79 %) Teilnehmern an einer Sermo-Studie stimmen zu, dass die Thematisierung von Burnout im Gesundheitswesen Priorität haben muss. Ein Sermo-Mitglied und Familienmediziner reflektiert: “Es sollte normal sein, dass wir uns über die psychische Gesundheit unterhalten, besonders da wir der Medizin tätig sind.” 

Die Literatur zur Reduktion von Burnout bei Ärzten ist begrenzt. Die meisten stimmen jedoch zu, dass auf Ärzte ausgerichtete Interventionen allein ohne gleichzeitige Unterstützung der Organisation möglicherweise nicht ausreichen, Burnout zu lindern. Eine systembezogene Veränderung wird wirkungsvoller als einzelne Maßnahmen sein.

Auf Ärzte ausgerichtete Burnout-Interventionen

Körperliche Betätigung und achtsamkeitsbasierte Interventionen sind die zwei primär auf Ärzte ausgerichteten Interventionen zur Behandlung von Burnout bei Ärzten:

  • Körperliche Betätigung: Eine systematische Prüfung von 21 Studien zeigte einen starken Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und vermindertem Burnout, insbesondere im Hinblick auf emotionale Erschöpfung und Depersonalisation.
  • Achtsamkeitsbasierte Interventionen: Von allen achtsamkeitsbasierten Interventionen bei einem Burnout von Ärzten wurden achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) und achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (MBCT) am umfangreichsten untersucht. Obwohl weitere Forschung nötig ist, sind beide Interventionen möglicherweise wirksam, wenn es emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und berufliche Effizienz geht. 

Ein Sermo-Mitglied, ein US-amerikanischer Kardiologe, hat diesen Rat: “Lege den ganzen Tag über regelmäßige Pausen ein, um dich auszuruhen und dich wieder aufzuladen — die Arbeit ein paar Minuten einfach vergessen. Nimm dir Zeit für dich selbst, um zu entspannen und abzuschalten, wie z. B. Sport oder Hobbys“.

Auf die Organisation ausgerichtete Burnout-Interventionen

Eine Metaanalyse von 19 Studien deutete darauf hin, dass auf Organisationen ausgerichtete Interventionen den Burnout effektiver reduzieren als Interventionen, die auf Ärzte ausgerichtet sind. Doch Ansätze, Komponenten und Intensität variierten signifikant. 

Studien zufolge sind in die effektivsten Burnout-Interventionen integriert:

  • Kommunikation: Kommunikation kann Meetings beinhalten, bei denen Ärzte über schwierige Patientenfälle und berufliche Herausforderungen diskutieren können, regelmäßige E-Mail-Updates der Leitung über Veränderungen in der Klinik oder strukturierte 1-1-Beziehungen zwischen Arzt und Klinikleitung, um Bedenken bezüglich der Auslastung anzusprechen.
  • Strukturelle Veränderungen: Strukturelle Anpassungen können Ärzte entlasten. Dies kann beinhalten, jedem Arzt einen Assistenten zuzuweisen, für Termine mehr Zeit einzuräumen und nicht-klinische Aufgaben an Büropersonal abzugeben.
  • Teamarbeit: Mehr Hände bedeutet weniger Arbeit für den Einzelnen, wie z. B. standardisierte Arbeitsabläufe zwischen medizinischen Assistenten und Krankenpflegekräften, Implementieren von Krankenpflege-Koordinatoren, um den Überblick über die Patienten zu behalten und Terminpläne für Bereitschaftsdienste

Diskutieren Sie Burnout-Lösungen mit Fachkollegen auf Sermo

Bei einer Umfrage unter 180 Sermo-Ärzten gaben 79 % an, dass es im Gesundheitswesen große Priorität haben sollte, Burnout zu thematisieren und 48 % sagten, dass sie die Unterstützung der psychischen Gesundheit nutzen würden, falls diese verfügbar wäre. Aber was am wichtigsten ist: Mehr als 20 % der Ärzte wünschen sich eine Online-Community, um über ihre Probleme zu sprechen und Unterstützung von Fachkollegen zu erhalten.

Auf Sermo können Sie sich über die Themen unterhalten, die für Sie und Ihre Patienten am wichtigsten sind — einschließlich Burnout. Finden Sie andere Ärzte, die ihre Erfahrungen mitteilen möchten.

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